23.11.2022, 10 Uhr
Akademie der Künste trauert um Jean-Marie Straub (1933–2022)
Der französische Autor und Regisseur Jean-Marie Straub, geboren 1933 in Metz, ist am 20. November 2022 in Rolle/Schweiz gestorben. Er war seit 1998 Mitglied der Akademie der Künste.
Die ersten Berührungen mit Film hatte Jean-Marie Straub während seiner Assistenzen bei Abel Gance, Jean Renoir und Robert Bresson; parallel zu seinem Literaturstudium leitete er einen Filmclub. 1958 wanderte er in die Bundesrepublik aus, um sich der Einberufung zum Militärdienst im Algerienkrieg zu entziehen.
Vom ersten Film an bis zu ihrem Tod 2006 arbeitete Straub mit seiner Lebensgefährtin Danièle Huillet zusammen. Es entstanden über vierzig Werke unterschiedlicher Längen, immer verbunden mit zermürbenden Finanzierungsschwierigkeiten, immer provokant und stets der präzisen Analyse der Film konstituierenden Elemente verpflichtet. In Arbeiten wie Machorka Muff oder Klassenverhältnisse legte er den inneren Kern der Romanvorlagen von Heinrich Böll und Franz Kafka frei. Mit Antigone und Der Tod des Empedokles widmete er sich der Antike, in dem sie radikal auf ihre Gegenwärtigkeit hin untersucht werden. Zu Empörungen kam es, als Straub sich zu dem RAF-Mitglied Holger Meins bekannte oder als er 2006 mit seinem Film Quei loro incontri gegen Auswüchse des amerikanischen Imperialismus protestierte.
Alexander Horwath, Mitglied der Sektion Film- und Medienkunst, würdigt Jean-Marie Straub mit folgenden Worten:
„Es ist nicht leicht, zu ermessen, was jetzt fehlt. Die ehrfurchtgebietende Gestalt, die fehlt jetzt – mit ihrer unnachgiebigen Haltung, ihrer unnachahmlichen Stimme und ihren unnachsichtigen Positionen zum Gang der westlichen Welt. Ich bin dankbar, dass sich unsere Wege manchmal gekreuzt haben. Und dass mit der Straub-Huillet-Ausstellung, 2017 in der Akademie der Künste, ein winziges Stück zurückgegeben werden konnte von dem Geschenk, das sie ihrem Publikum gemacht haben. Die Ausstellung stieß zum Teil auf `starke` Reaktionen. Straub hat es immer schon gewusst: ‚Man darf nie etwas sagen oder zeigen, wo nicht die Möglichkeit des Gegenteils als Widerstand darin zu spüren ist.‘“
Die Akademie der Künste trauert um ihr Mitglied.
Jeanine Meerapfel
Präsidentin der Akademie der Künste