Turmbewohner Entwurfszeichnungen von Chodowiecki und Rode für den Gendarmenmarkt
Die Türme des Deutschen und des Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt prägen bis heute das Berliner Stadtbild.
Den umfangreichen Figurenschmuck entwarfen in den 1780er Jahren zwei herausragende Künstler des friderizianischen Berlins, Bernhard Rode (1725–1797) und Daniel Chodowiecki (1726–1801), die beide auch als Akademie-Direktoren hervortraten. Ihre Entwurfsserien wurden durch die Akademie der Künste gekauft. Nach 1945 galten Chodowieckis Rötelzeichnungen als Kriegsverlust, konnten der Kunstsammlung aber im letzten Jahr wieder zugeführt werden. Nach einer Restaurierungsphase präsentiert die Akademie sie nun erstmals neben Rodes schwungvollen Federzeichnungen in einer Kabinettausstellung in der Alten Nationalgalerie. Die Gegenüberstellung der beiden Werkgruppen veranschaulicht die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Künstler. Hochkarätige Leihgaben, darunter Originalfragmente des Skulpturenschmucks, führen den Schaffensprozess von der Zeichnung zur Skulptur, aber auch die bewegte Geschichte des Platzes lebhaft vor Augen.
Publikation
D. N. Chodowiecki, Geburt Christi, Rötelzeichnung. Relief am Französischen Dom nach Entwurfszeichnung
Chodowiecki, einer der herausragendsten Zeichner, Maler und Chronisten des friderizianischen Rokoko, nimmt als Akademiedirektor und –reformator eine zentrale Position in der Historie unserer Institution ein. Die Zeichnungsfolge, die als Schlüsselwerk der Berliner Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts gilt, entstand kurz nachdem auf Erlass des Königs 1780 der Bau von zwei Prunktürmen auf dem damaligen Friedrichstädtischen Markt beschlossen worden war. Der Auftrag stellte den Künstler vor eine ungewohnt komplexe Aufgabe: die Entwicklung eines ambitionierten und ikonografisch stimmigen Bildprogramms für den an die Hugenottenkirche angrenzenden Turm auf dem Gendarmenmarkt, einem der prestigeträchtigsten Orte Preußens. Chodowiecki, selbst ein aktives Mitglied der Hugenottengemeinde, lieferte Entwürfe, die von einer Reihe von Bildhauern und Stuckateuren umgesetzt werden, und das Bild des Platzes Berlins bis heute prägen. Neben Figuren und Szenen aus der Bibel stellte Chodowiecki auch Tugenden und Calvinistische Reformatoren dar und schuf ein ungewohnt umfangreiches und vielseitiges Bildprogramm, das zugleich als Kommentar auf den aufgeklärten Preußischen Absolutismus interpretiert werden kann. Die kunsthistorische Auseinandersetzung mit der Werkgruppe wird sich Chodowieckis Arbeitsweise detailliert widmen und die Zeichnungen im Kontext zur Entstehungsgeschichte des in das Ensemble des Gendarmenmarktes eingebundenen Bauwerks betrachten.
Stempel der Sammlung Malsburg (Lugt 1849)
Anhand des Sammlerstempels kann nachgewiesen werden, dass sich die Zeichnungen einst in der bedeutenden Sammlung des Dichters und Diplomaten Ernst Friedrich Freiherr von der Malsburg (1786-1824) befanden und bis in das frühe 20. Jahrhundert in Familienbesitz blieben. Die Akademie der Künste besitzt darüber hinaus ein weiteres Konvolut von Entwurfszeichnungen zum Skulpturenprogramm des deutschen Doms, dem bauidentischen Turm auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes, die von Chodowieckis Lehrer, Vorgänger im Direktorenamt und auch Rivalen, Christian Bernhard Rode (1725-1797) ausgeführt wurden und ebenfalls aus der Malsburg'schen Sammlung stammen. Rodes dynamische Federstudien unterscheiden sich technologisch und ästhetisch von den Entwurfszeichnungen Chodowieckis, korrespondieren aber inhaltlich genau und ermöglichen daher eine umfassende und erhellende Gegenüberstellung.
Entwurfszeichnungen für die Tugend der Mildtätigkeit von D. N. Chodowiecki (links) und C. B. Rode (rechts)
In der Kabinettausstellung in der Alten Nationalgalerie werden ausgewählte Werke beider Künstler aus den Beständen der Akademie, ergänzt um weitgehend unbekannte Leihgaben, in Beziehung zueinander gesetzt und erstmals zusammen ausgestellt. Den Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten der beiden Werkgruppen hinsichtlich Charakter, Technik und Ikonografie wird nachgegangen. Zugleich wird dargelegt, dass bereits in den Entwurfszeichnungen das stimmige Konzept des architektonischen Gesamtensembles spürbar ist, das maßgeblich dazu beitrug, dass der Gendarmenmarkt trotz seiner bewegten Geschichte, geprägt von Zerstörung und Wiederaufbau, nach wie vor weithin als schönster Platz Berlins gilt.
D. N. Chodowiecki, Rötelzeichnung im alten Passepartout, Verbräunungen durch säurehaltigen Karton, Tintenfraß am unteren Blattrand D. N. Chodowiecki, Abklatsch von der Rötelzeichnung links, die im Nachhinein beschnitten wurde
Die seit Ende des 2. Weltkriegs verschollenen und nun zurückerworbenen Rötelzeichnungen Chodowieckis sind fragil und bedürfen, bevor sie dann präsentiert werden, einer etwas aufwändigeren restauratorischen Bearbeitung. Dabei sollen auf der Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung auch grundsätzliche Lagerungs- und Ausstellungsstandards erarbeitet werden. Der Erhaltungszustand der Werke, die materialimmanenten Hinweise auf ihre Provenienz sowie die Zeichentechniken und -papiere sollen analysiert und dokumentiert werden. Besondere Schwerpunkte sind der künstlerische Einsatz von Rötelkreiden und deren Nutzung zur Zeichnungsübertragung sowie zur Darstellung von verschiedenen Skulpturansichten auf der Papiervorder- und -rückseite. Demgegenüber stehen Christian Bernhard Rodes Federzeichnungen in brauner Tinte, die er mit Blindlinien auf andere Träger kopierte. Diese detaillierte Bestandsaufnahme sowie speziell an das Konvolut angepasste Behandlungsmethoden bilden die wesentliche Grundlage für die Restaurierung der durch korrosive Zeichenmedien, Lagerung und Rahmung verursachten Schäden. Die Neumontage in Sammlungspassepartouts, die an die empfindliche Zeichentechnik angepasst sind, dient sowohl der langfristigen Konservierung als auch der Präsentation der wiedergefundenen Werke in der Kabinettausstellung in der Alten Nationalgalerie.
Modell Teja Häuser und Claudia Ziegler. Fotos Max Merz.