19.5.2006
Neuzugänge im Peter-Weiss-Archiv
Das Archiv der Akademie der Künste konnte das seit 20 Jahren von ihr betreute Peter-Weiss-Archiv um bedeutende Stücke erweitern. Es erwarb neun frühe, unpublizierte Prosawerke mit Zeichnungen von Peter Weiss (1916 - 1982) aus den Jahren 1934 – 39, einen illustrierten Brief, den Weiss seinen Eltern Weihnachten 1938 vom Aufenthalt bei Hermann Hesse schrieb, sowie zwei Collagefolgen. Der Ankauf wurde durch die "Gesellschaft der Freunde der Akademie der Künste" ermöglicht.Die z. T. handgeschriebenen Prosawerke mit insgesamt 91 Federzeichnungen und Aquarellen geben Einblick in die Gedanken- und Bildwelt des seit 1934 in der Emigration lebenden Heranwachsenden, worin der Unfalltod seiner Schwester Beatrice 1934 einen zentralen Einschnitt bildet. Der Briefroman „Günter an Beatrice“ (1934), unter dem Pseudonym Peter U. Fehér, geht diesem Thema nach. Die anderen Titel lauten „Traum, Dämmerung und Nacht“, „Die kleine Geschichte von 5 Seeräubern und einem Mädchen“ (beide 1934), „Bekenntnisse eines großen Malers“ (Van Gogh) 1935, „Skruwe“ (1936/37), „Die Insel“ (1937), Die Gezeiten“ (1938), „Traktat von der ausgestorbenen Welt“ (1938/39) und „Die Landschaften in den Träumen“ (1939). Die bisher weitgehend unbekannten Schriften dieser Jahre geben Auskunft über die unablässige Suche nach einer Identität als Mensch und als Künstler. In der Auseinandersetzung mit familiären Widerständen und literarischen Vorbildern erprobt der junge Autor mögliche Lebensformen sowie romantische und apokalyptische Traumlandschaften. Schon früh bilden sich Themen, Bilder und Motive heraus, die im Gesamtwerk von Peter Weiss eine konstitutive Rolle spielen.
Als literarisch-bildnerische Doppelbegabung schwankte Peter Weiss lange zwischen den Kunstgattungen. Schon in der Jugendzeit, der die neu erworbenen Manuskripte entstammen, stehen das Schreiben und Malen fast gleichberechtigt nebeneinander. In den ersten schwedischen Jahren bis zum Ende des 2. Weltkriegs konzentrierte er sich auf die Malerei, dann trat wieder die Literatur in den Vordergrund. Ab 1952 auch als Filmemacher tätig, erschloß Weiss sich ab 1957 die Techniken der Collage. Der zweite neu erworbene Materialkomplex umfasst den Höhepunkt und Abschluß seines Collagenwerks, die beiden für seine gleichnamigen Prosaarbeiten geschaffenen Folgen „Der Schatten des Körpers des Kutschers“ und „Abschied von den Eltern“. Charakterisiert die erstere eine geometrische Montage gleichwertiger Bildteile, entfalten die Arbeiten zur autobio-graphischen Erzählung „Abschied von den Eltern“ zusammenhängende Szenarien, die durch die Collagetechnik verfremdet werden.