Zukunft Stadt
1. Baukulturwerkstatt: Gemischte Quartiere
Wie muss die Stadt zukünftig gestaltet sein? Welche Rolle spielt dabei die Baukultur? Best-Practice-Projekte für ein lebenswertes Umfeld, bezahlbares Wohnen, für die Qualität der öffentlichen Räume, für eine moderne Infrastruktur, Verkehrsnetze sowie zur Planungskultur werden in drei Symposien diskutiert. Im ersten Werkstattgespräch (18.1.) werden in 12 Impulsreferaten Projekte vorgestellt, die sich mit urbaner Vielfalt, Gebäude- und Wohntypologien, funktionaler und sozialer Mischung, Inklusion und Quartiersmanagement beschäftigen. Die Werkstätten „Öffentlicher Raum und Infrastruktur“ (29.3.) und „Planungskultur“ (24.5.) werden Fragen wie Freiraumplanung, Mobilitätskonzepte, Shared Space und Bürgerbeteiligung thematisieren.
Partnerveranstaltung mit der Bundesstiftung Baukultur, www.bundesstiftung-baukultur.de
Veranstaltung Baukultur Werkstätten 2014
Eine Partnerveranstaltung mit der Bundesstiftung Baukultur
Gebaute Lebensräume der Zukunft, Fokus Stadt
Wilfried Wang, Stellvertretender Direktor der Sektion Baukunst der Akademie der Künste, begrüßte die Teilnehmer:
Sehr geehrter Herr Reiner Nagel,
Sehr geehrter Herr Bernd Hunger,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Mitglieder der Sektion Baukunst,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Es ist mir eine Freude Sie alle in unserem Hause begrüßen zu dürfen, in einem von Werner Düttmann 1958 gestalteten und von Winfried Brenne mit äußerster Sorgfalt vor zwei Jahren renovierten Bau, der auf Grund seiner Gelassenheit und Offenheit sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut.
Das heutige Thema wird mit Ihnen, sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland mit gestalterisch qualitativ hervorragenden Beispielen untermauert. Das Spektrum reicht von Bauherrengruppen einzelner Bauten bis zu ganzen Stadtquartieren. Die Komplexität der Hintergründe, wie welche Baumaßnahme überhaupt verwirklicht werden konnte, wird ebenfalls heute mit dem einen oder anderen Beispiel erörtert werden.
Als Architekten wissen wir wie schwierig diese Prozesse sind, zumal viele auch neue Wege gehen, die bei den Finanzierungsinstitutionen und Aufsichtsbehörden oft erst auf Ablehnung stoßen. Bei all der Beispielhaftigkeit der heute hier versammelten Projekte sollten wir uns als Architekten nicht täuschen, dass es uns bislang nicht gelungen ist, die großpolitische Wetterlage gegen die schon lang währenden neoliberalen Ideologien zu verändern.
Das Thema Wohnen in der Stadt kann nicht aktueller sein. Wir können aber nicht so tun, als wären die Grundlagen für die heutigen Wohnbautypen, oder um es korrekter zu formulieren, die Grundlagen für das Leben in gemischten Quartieren, die gleichen wie zu Zeiten vor dem Neoliberalismus. Wir wissen nämlich heute mehr über den demographischen Wandel von der klassischen Familie zu Ein-Personenhaushalten, über den Zuwachs an Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch über die letzten Jahrzehnte, über die damit abnehmende Wohndichte und über den ebenfalls damit verbundenen Kaufkraftverlust und dem Verlust an gewerblichen Einrichtungen in Stadtquartieren. Wir können Urbanität eben nicht herstellen mit immer mehr Pro-Kopf-Wohnfläche und immer mehr monofunktionalem Wohnbau.
Neben diesen Erkenntnissen gilt es aber auch die globalen Veränderungen kritisch zu analysieren um dringende Rückschlüsse für die Stadtentwicklung zu ziehen.
Der Neoliberalismus hat den Bankenskandal samt Immobilienblase aus den Jahren 2006/2008 zu verantworten. Der Kollateralschaden dieser Krise ist besonders in Randeuropa zu spüren: hohe Arbeitslosigkeit, bis zu 50% bei Jugendlichen in Spanien; eine Dezimierung der Bauwirtschaft in Irland, Griechenland, Spanien, Portugal und Slowenien. Das nach wie vor vorhandene Kapital aus der ganzen Welt sucht seit dieser Zeit nach sicheren Anlagen. Immobilien in Deutschland sind ein ideales Objekt dieser Begierde. So stiegen die Kaufpreise bei Wohnimmobilien in Berlin in den letzten drei Jahren um 30% mit entsprechenden, verzögerten Auswirkungen auf die Mieten. Die Angst und Unsicherheit bei kapitalkräftigen Investoren überträgt sich somit auf die normale Bevölkerung. Die einzigen, die von diesen Prozessen anscheinend nichts mitbekommen haben, sind Politiker. Sie reagieren hilflos mit Mietpreisstopps oder Verbot von Luxussanierungen. Lächerlich, wenn es nicht so tragisch wäre.
In Berlin hat man zumindest in den letzten Monaten die Privatisierung, auch ein neoliberaler Terminus, von städtischen Liegenschaften gestoppt. Aber anstatt dass die Politik nun entschieden gegen die massiven Kapitalzuflüsse aus der globalen Privatwirtschaft mit städtisch gesteuerten gemischten Projekten für urbanes Wohnen und Arbeiten reagiert, verfolgt sie hier in Berlin, aber nicht nur in Berlin, die Entwicklung reiner Wohnbauten durch die alten Dinosaurier der Wohnbauträger.
So kommen wir nicht weiter. So kriegen wir keine Urbanität hin. Wohnbauträger können eben nur eines: Wohnbauten errichten. Und diese sind nun mal monofunktional. So entsteht keine Durchmischung, so entsteht keine Urbanität.
So bleibt es auch bei der Ablehnung von Projekten wie das Tempelhofer Feld durch einen Großteil der Öffentlichkeit in Berlin. Sie misstraut der Politik schlicht und ergreifend. Die Öffentlichkeit ist nicht überzeugt, dass das Projekt gesellschaftlich gerecht ist, dass es wirklich Freiräume garantiert und, dass es eine offene Urbanität erzeugen würde. Es fehlt die positive Vision nicht nur zu diesem Projekt.
Wir Architekten sind Visionäre. Das ist unsere Berufung. Wir haben Visionen, Utopien zu entfalten, die der Öffentlichkeit den Mut zurück gibt, der über die neoliberalen Jahre verloren gegangen ist. Welche gewünschten Lebensräume lassen sich überhaupt mit der bestehenden Substanz zu einem neuen Ganzen verschmelzen?
Wie kann eine Nachverdichtung auch für jene Gesellschaftsgruppen erreicht werden, die nicht zu den kämpfenden Bildungsbürgern oder zu den gewieften Immobilienentwicklern zählen? Und letztlich, welche Qualitäten stellt Urbanität erst her? Was heißt Mischung wenn wir von "Gemischten Quartieren" sprechen? Mischungen von Alter, Einkommen, Tätigkeiten, Lebensformen? Oder doch nur Wohntypen?
Wenn wir die Dinge zu eng und kleinteilig betrachten, kommen wir nicht weiter. Wir werden weiter an gesellschaftlicher und politischer Relevanz verlieren. Fünf Jahre nach dem Lehman Brothers Bankrott muss sich unser Berufsstand neu organisieren, selbstkritisch unsere Relevanz analysieren und konkrete Ziele und Arbeitsmethoden entwickeln. Die Politik tut es nämlich nicht für uns; da müssen wir schon selbst ran.
So betrachtet wünsche ich nicht nur Ihnen, sondern unserer Gesellschaft fruchtbare Diskussionen und konkrete Ergebnisse.