Zur Terry-Fox-Ausstellung: Film als Skulptur?
Seine politisch-anarchischen Performances und Videotapes sind legendär, seine Arbeiten mit Sound machten ihn zu einem Pionier der Klangkunstszene: Es gilt die medienübergreifende Arbeit des amerikanisch-europäischen Künstlers Terry Fox (1943-2008) neu zu entdecken. Die Ausstellung schafft assoziative Denkräume zu zentralen Themen: „Situations/Körperliche Zustände“ –„Elements/Material“ – „Mapping/Labyrinth“ – „Sound as Sculpture/Raum als Instrument“. Erstmals sind unveröffentlichtes Video- und Fotomaterial und seine Werknotizen zu sehen. Einer der drei Klangräume mit dem Titel „Berlino“, von Arnold Dreyblatt für die Ausstellung räumlich neu interpretiert, basiert auf der Arbeit „Berlin Wall Scored for Sound“, die Fox 1981–82 während seines DAAD-Stipendiums in Berlin realisierte. Der umfangreiche Katalog enthält bisher unbekannte Arbeiten und Dokumente sowie in diesem Jahre verfasste Statements von Zeitgenossen.
Im Symposium am 7./8.1. (in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin - Forschergruppe BildFilmRaum, Institut für Kunst und Bildgeschichte & Henry Moore Institute Leeds) geht es um die Frage: Wann kann Video bzw. Film zur Skulptur werden – auch jenseits des ‚Circuit Video‘ in seiner Bezogenheit auf die Installation im Ausstellungsraum oder den Objektcharakter von Monitor, Projektor oder Screen?
Ausstellung in Kooperation mit dem BAM – Musée des Beaux-Arts Mons, dem Von der Heydt-Museum Wuppertal und dem Kunstmuseum Bern. Gefördert von Hauptstadtkulturfonds und Gesellschaft der Freunde der Akademie der Künste.
Programm:
7. Januar 2016, 19-22 Uhr – Screening, Diskussion
8. Januar 2016, 11-20 Uhr – Vorträge, Führung, Diskussion
„ (…) die Reflexion des Skulpturalen (hat) ihren avanciertesten Punkt erreicht (…) in jenem Moment, in dem sich Skulptur als konkretes Phänomen aufhebt und in skulpturalen Film verwandelt.“ (Benjamin H.D. Buchloh)
Über die Ablehnung der Videoarbeiten von Bruce Nauman in einer Skulpturenausstellung der 1970iger Jahren kann man heute getrost lächeln. Was hat sich verändert? Das Bewegt-Bild wird in der Regel als zweidimensionales Medium betrachtet, allenfalls schieben sich die zeitliche Dimension und das Verhältnis von Bild und Bildträger in das Blickfeld, die sich von der Skulptur als Raumkunst unterscheiden. Dass Film als Skulptur oder Skulptur als Film verstanden werden kann, mag zunächst als Widerspruch erscheinen. Doch hat sich gerade dieses Paradox für die Künste des letzten Jahrhunderts als ausgesprochen produktiv erwiesen.
Die Aufzeichnung von Räumen, Körpern und Oberflächen ist von Gilles Deleuze als kinematografische Erfahrung gedeutet worden, die sich in den konkreten künstlerischen Ausdrucksformen des Films manifestiert und zugleich deren Produktionsprozess visualisiert. Während fotografische Techniken als eine eigene Form der plastischen Modellierung und Wahrnehmung von Raum verstanden worden sind, hat die wissenschaftliche Rezeption der künstlerischen Avantgarden der Moderne dem Film eine weit geringere Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen, obwohl der Film als das paradigmatische Medium der Zeit angesehen werden kann. Es wäre zu fragen, wie technische Komponenten des Films in der Skulptur zum Einsatz kamen und wie skulpturale Elemente und Techniken das filmische Bild beeinflusst haben.
Das Symposium widmet sich den wechselseitigen Bezugnahmen von skulpturalen Praktiken und filmischen Techniken. Sie zielt darauf ab, die möglichen Auswirkungen früher filmischer Aufzeichnungen auf die zeitgenössische Interpretation räumlicher und skulpuraler Form zu diskutieren und damit einen erweiterten Skulpturenbegriff freizulegen. Im Zentrum steht dabei das Wechselverhältnis von filmischem und skulpturalem Raum, von Dokumentation und Produktion.
Filmische Dokumentationen von Skulpturen sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Inszenierung der Mise en scene durch Künstler verbunden. Wird skulpturales Handeln als temporäre künstlerische Intervention verstanden, nimmt die Bedeutung von Video und Film zu. Mit dem Aufkommen der tragbaren Videokamera wird das bewegte Bild zunächst zur Dokumentation und als mediales Notizbuch von beispielsweise Performances verwandt. Gleichzeitig gewinnt die Spezifik des Mediums an Eigenwert und bringt neue skulpturale Konzepte hervor. Das Symposium behandelt Fragen danach, welche skulpturalen und filmischen Konzepte und Praktiken in den Künsten wichtig werden – vom Trägermaterial und seiner Bearbeitung, dem ästhetischen Potential des Schnitts, die Ansichten bis hin zur gestaltenden Wirkung der Farbe.
Mit Bezug auf die Ausstellung Terry Fox – Elemental Gestures stellt sich zudem die Frage, ob und in welcher Hinsicht das Bewegt-Bild selbst zur Skulptur wird – etwa durch die zunehmend feinere Unterscheidung von einerseits Studioperformance, Aktionsvideo, eigens zur Aufnahme durchgeführte Performances bzw. der Dokumentation von Handlungen sowie andererseits die objekthafte Installation von Film im Ausstellungsraum.
Donnerstag, 7. Januar 2016
19.00-19.30 Uhr
Begrüßung: Birgit Hein, Akademie der Künste, Vizedirektorin der Sektion Bildende Kunst
Einführung: Nikola Doll, Angela Lammert
19.30 – 21.30 Uhr Filmvorführung mit anschließender Diskussion
Filme
László Moholy-Nagy, Lichtspiel Schwarz-Weiss-Grau, D 1930
Gordon Matta Clark, City Slivers, USA 1976
Roman Signer, Hocker im Kurhaus Weissbad, 1992
Respondenten:
Alexandra Parigoris, Henry Moore Institute, Leeds;
Marc Glöde, Berlin;
Cedric Kiefer, onformative, Berlin
Moderation: Marcus Becker
Freitag, 8. Januar 2016
10.30 Uhr Begrüßung: Wulf Herzogenrath, Akademie der Künste, Direktor der Sektion Bildende Kunst
11-13 Uhr Filmraum - Bewegungsraum
Moderation: Nikola Doll, Humboldt-Universität zu Berlin
Marc Glöde, Berlin
Farbige Lichträume von Oskar Fischinger bis Stanley Kubrik
Mirjam Schaub, Hochschule der bildenden Kunst, Hamburg
Plastizität. Was geschieht, wenn Filme skulptural werden?
Friederike Schäfer, Humboldt-Universität zu Berlin
Film als performatives Dokument ephemerer Skulpturen. Zum künstlerischen Werk von Suzanne Harris
13-14 Uhr Mittagspause
14 -15.30 Uhr
Führung durch die Ausstellung Terry Fox – Elemental Gestures
15.30-16 Uhr Kaffeepause
16-18 Uhr Dokumentation - Filmraum
Moderation: Angela Lammert, Akademie der Künste Berlin
Ulf Jensen, Humboldt-Universität zu Berlin
Celluoid und Bienenwachs. Film als Plastik bei Joseph Beuys
Mareike Herbstreit, Hochschule für bildende Künste Braunschweig
Über das Verhältnis von Performance und Aufzeichnung
Elena Zanichelli, Universität Bremen
Gebrauchsspuren und Berührungspunkte. Filmtexturen der Neoavantgarde.
18-18.30 Uhr Kaffeepause
18.30-20 Uhr Film als Skulptur?
Moderation: Matthias Bruhn, Humboldt-Universität zu Berlin
Dietmar Rübel, HfBK Dresden
Richard Serra: Filmexperimente
Rosa Barba, Berlin
Hubertus von Amelunxen, EGS The European Graduate School, Saas-Fee, Schweiz
Form und Anti-Form: Anthony McCall“ Hubertus v. Amelunxen,
Kontakt:
PD Dr. Angela Lammert
Leitung interdisziplinäre Sonderprojekte
Sektion Bildende Kunst
Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin
Tel. +49 030 20057 1517
lammert@adk.de
Dr. Nikola Doll
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung.
Ein interdisziplinäres Labor,
Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Tel. +49 030 2093 66143
nikola.doll@hu-berlin.de